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Gottscheds Handlexicon

1. Die Laute | ||
2. Silvio Leopold Weiß |

Das Handlexicon oder Kurzgefaßtes Wörterbuch der schönen Wissenschaften und freyen Künste
wurde von Johann Christoph Gottsched 1760 in Leipzig herausgegeben.
Es enthält zwei Artikel von Luise Adelgunde Victorie Gottsched, die sich sehr detailiert über Silvius Leopold Weiss äußern. Diese Abschnitte waren zwar schon länger bekannt, aber
Frank Legl hat als erster ihre historische Relevanz erkannt und nachgewiesen, dass sie von Luise Gottsched stammen. Sie war mit Silvius Leopold Weiss sehr gut bekannt und deshalb sind
ihre Äußerungen ein wichtiges Dokument für das Leben von Silvius Leopold Weiss (Vgl. dazu die näheren Ausführungen von Frank Legl in
Zwischen Grottkau und Neuburg, Neues zur Biographie von Silvius Leopold Weiss
, in Die Laute, Jahrbuch der Deutschen Lautengesellschaft
, Nr. IV, 2000, S.1-40).

Laute, die
ist ein musikalisches Instrument mit Seyten, welche mit beyden Händen geschlagen werden.
Ehemals hatte sie nur sechs gedoppelte Chöre, nachmals aber hat sie, insbesonderheit unter
dem großen Sylvio Leopold Weiß, eine ganz andere Gestalt gewonnen. Sie kann wegen ihrer
Harmonie und ihrer Annehmlichkeit, und da sie sich selbst zu begleiten im Stande ist, sowohl
Personen, die die Einsamkeit lieben, einen Zeitvertreib machen; als auch wenn sie dreyzehnchörig
und theorbiret ist, in den größten Concerten mit erscheinen. In Frankreich sind zu Ende des vorigen
Jahrhunderts die Gaulthiers auf diesem Instrument berühmt gewesen;
Deutschland aber wird an seinem Weiß gewiss auf ewige Zeiten, sowohl den zweyten Vater als
den größten Meister der Laute ehren. Es scheint, daß dieses Instrument der französischen
Flüchtigkeit nicht leicht und lärmend genug vorkomme: gleichwohl kennet man in Deutschland Personen,
denen es von der zärtesten Jugend an nicht schwer geworden ist.
(Handlexicon, Sp. 1004f)

Weiß, (Sylvio Leopold)
ein großer Lautenist, ward zu Grötkau, einem kleinen Orte in Schlesien, 1687 gebohren. Sein
erster Lehrmeister war sein eigener Vater: der ihn mit seinem vortrefflichen Naturelle auch so
weit brachte, daß er bereits in seinem siebenten Jahre vor dem Kaiser Leopold gespielet hat.
Im 1710 Jahre gieng er nach Rom, nachdem er sich vorher in Deutschland umgesehen, und
sich eine allgemeine Verwunderung zugezogen. Im 1718 Jahre ward er vom Könige August
dem Zweiten nach Dresden berufen. Man kann diesen großen Künstler einigermaßen den
Vater der Laute nennen: denn sie hat unter ihm eine ganz andere Gestalt gewonnen. Er hat
sie nicht nur von eilf Chören auf dreyzehn gesetzet; sondern da er auch ihren Hals gerade
gemachet oder theorbiret, sie in den Stand gesetzet, daß sie nunmehr in den größten
Concerten mit spielen kann. Am meisten aber thun sich seine Compositionen vor allen
anderen, die man kennet, hervor. Sie werden zwar von einigen schwer genennet, aber nur von
denen, die zu flüchtig, oder zu alt sind; oder sonst eine Neigung zu einem andern Instrumente
haben: wiewohl sie auch sehr schwer zu bekommen sind, indem der selige Mann sehr
schwierig war, sie aus den Händen zu lassen. Wer also eine starke Sammlung davon besitzet,
muß diesselbe als einen Schatz ansehen und hochhalten. Sein Anschlag war sehr sanft; man
hörete ihn, und wußte nicht, wo die Töne herkamen. Im Fantasieren war er unvergleichlich;
das Piano und Forte hatte er vollkommen in seiner Gewalt. Kurz er war Herr seines
Instruments, und konnte damit alles machen, was er wollte. Seine Aufsätze bestehen in Solo,
Trio, großen Concerten, Tombeaux; worunter das auf den Grafen Lochi unverbesserlich ist;
und einigen kleinen, aber wenigen Galanteriestückchen. Er starb 1750, und die Welt verlohr
an ihm den größten Lautenisten, den Europa jemals gehöret und bewundert hatte.
(Handlexicon, Sp. 1644f)
